25. November 2025
Ein Großteil der Bestandsgebäude in Deutschland ist energetisch auf einem schlechten Stand. Wie dieses Sanierungspotenzial am besten gehoben werden kann, haben Fachleute auf dem Herbstforum Altbau am 20. November 2025 in Stuttgart gezeigt. Im Fokus stand, wie Energieeffizienz und erneuerbare Energien den Gebäudebestand zukunftsfähig machen können sowie aktuelle Entwicklungen in der Sanierungspraxis. Organisiert wurde die Konferenz von Zukunft Altbau, dem vom Umweltministerium Baden-Württemberg geförderten Informationsprogramm. Umweltministerin Thekla Walker eröffnete den Kongress. An der Veranstaltung nahmen über 1.000 Fachleute aus Energieberatung, Architektur, Planung und Handwerk teil – rund 450 vor Ort, der Rest online. Auch Vertreterinnen und Vertreter aus Politik und Verwaltung sowie Verbänden und Kammern waren Gäste der Tagung in der Stuttgarter Sparkassenakademie. Neu war in diesem Jahr ein Fachabend zur Energieberatung am Vorabend der Tagung. Dieser fand in Kooperation mit der Interessenvertretung Gebäudeenergieberater Handwerk und Ingenieure (GIH) statt.
Fragen beantwortet das Team von Zukunft Altbau kostenfrei am Beratungstelefon unter 08000 12 33 33 (Montag bis Freitag von 9 bis 13 Uhr) oder per E-Mail an beratungstelefon(at)zukunftaltbau.de. Der KI-Chatbot Erni steht auf www.zukunftaltbau.de sogar rund um die Uhr bereit und bietet neutrale, qualifizierte Antworten auf Fragen rund um energetische Sanierung.
Zum nun 27. Mal bot das Herbstforum Altbau ein vielseitiges Programm und Austauschmöglichkeiten für Fachleute der Gebäudesanierung. Den Schwerpunkt bildeten Beiträge aus der Praxis. Doch auch gesellschaftliche Fragen zum Klimaschutz waren Thema der Leitveranstaltung der Sanierungsbranche in Süddeutschland. Durch das Programm führten die Moderatorin Natasha Walker und Frank Hettler, Leiter von Zukunft Altbau. Die nachhaltig organisierte Veranstaltung ist als Fortbildung von der Deutschen Energie-Agentur (dena), der Architektenkammer- und der Ingenieurkammer des Landes zertifiziert.
Thekla Walker, Ministerin für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg, betonte in ihrem Einführungsstatement, dass Baden-Württemberg in den vergangenen Jahren viel erreicht habe. Insbesondere beim Ausbau der erneuerbaren Energien sei das Glas eher halb voll als halb leer. Nichtsdestotrotz gebe es noch viel zu tun. Gerade im Gebäudebereich sei der Aufholbedarf groß. Die Gebäude müssten rasch energetisch ertüchtigt werden. Auf Bundesebene Regeln wie das Gebäudeenergiegesetz aufzuweichen, sei daher nicht sinnvoll. Wichtig sei auch eine verlässliche finanzielle Förderung.
Positiv zu sehen sei die kommunale Wärmeplanung. Mit ihr gebe es ein wirksames Instrument, Wärmenetze auszubauen und mehr Wärmepumpen in den Bestand zu bekommen. Das Land unterstütze hier die Kommunen auf dem Weg zur Umsetzung. Es gebe kein Planungs-, sondern ein Umsetzungsdefizit im Südwesten, so die Ministerin. Auch müsse die Branche weiterhin die Energieeffizienz im Gebäudebestand in den Fokus rücken. „Je weniger Energie wir verbrauchen, desto leichter und robuster können wir die Wärmewende umsetzen und unser Ziel der Klimaneutralität erreichen“, betonte Walker.

Anschließend folgte eine Reihe von Fachvorträgen, angefangen mit Daniel Fuhrhop. Er ist in seiner Arbeit dem unsichtbaren Wohnraum auf der Spur. Immer mehr Menschen lebten auf zu viel Wohnraum, etwa viele ältere Menschen oder Singles, so der Wirtschaftswissenschaftler und Autor. Allein in Baden-Württemberg gebe es rund 770.000 Ein-Personen-Haushalte, die über mehr als 80 Quadratmeter Wohnfläche verfügen. Auch dadurch wachse die Zahl der Wohnungssuchenden. Neu zu bauen sei angesichts der hohen Emissionen durch Neubauten im Zusammenhang mit der Klimakrise jedoch nicht vertretbar.
Es brauche daher Lösungen im Bestand: Neben Ausbauten und Aufstockungen von bestehenden Gebäuden müsse man auch die vorhandenen Wohnflächen besser nutzen – etwa durch Cluster-Wohnungen, Wohnungsteilungen nach dem Auszug der Kinder oder von bislang nicht genutztem Wohnraum im Keller oder Dach. Gleichzeitig sollen bereits bestehende, aber leerstehende Wohnungen – wieder – in die Vermietung gebracht werden.
Fachleute sprechen hier von Wohnflächeneffizienz. Baden-Württemberg geht hier in Deutschland voran: Mehrere Kommunen bieten finanzielle Unterstützungsprogramme zur Aktivierung von leerstehendem Wohnraum an. Wichtig seien dazu aber auch gut ausgestattete Wohnungsvermittlungsstellen in den Kommunen, wie es sie in Belgien und Frankreich gibt, so Fuhrhop.
Constanze Bongs, Deutschlands erste Professorin für Wärmepumpen von der Hochschule Karlsruhe erklärte in ihrem Fachbeitrag, was bei der Dimensionierung von Luft-Wasser-Wärmepumpen im Altbau zu beachten ist. Die Ergebnisse ihrer neuesten Studien zeigen, dass Wärmepumpen im Durchschnitt um den Faktor 1,5 überdimensioniert sind. Dies kann bei einer guten Planung vermieden werden. Unter dem Titel „Spielräume bei Systemintegration und Auslegung“ ging sie auf die dafür erforderlichen einzelnen Schritte ein.
Bongs erklärte die wichtigsten Planungsschritte, etwa die raumweise Heizlastberechnung und die Auslegung der Wärmeübergabe. Bei der Heizlastberechnung sei das Wettercockpit von Zukunft Altbau empfehlenswert. Es macht Wetterdaten des Deutschen Wetterdienstes einfach und anschaulich verfügbar. Auch die Auswahl der Betriebsweise, also die Entscheidung, ob ausschließlich eine Wärmepumpe (monovalent) oder ein Hybridsystem mit beispielsweise einer zusätzlichen Gastherme (bivalent) genutzt werde, müsse gut geplant werden. Ihr Fazit: Bei einem richtigen Vorgehen könne man eine Überdimensionierung vermeiden.
Jörg Knapp, der Leiter des Referats Technik beim Fachverband Sanitär Heizung Klima Baden-Württemberg, betonte in seinem Vortrag, dass bei 90 Prozent der Problemfälle mit Wärmepumpen nicht das Gerät selbst im Fokus stehe, sondern eine unzulängliche Planung. Um sie zu vermeiden, sei unter anderem ein hydraulischer Abgleich wichtig – dies gelte auch bei anderen Heizungsarten. Der untere und obere Bivalenzpunkt und die Heizgrenztemperatur haben ebenfalls eine große Auswirkung auf die Effizienz der Wärmepumpe. Der Experte erklärte auch die Bedeutung der Taktzeiten. Zu hohe Taktzeiten seien Gift für die Lebensdauer und den effizienten Betrieb einer Wärmepumpe. Empfehlenswert seien Werte zwischen 1.000 bis 2.000 Taktungen im Jahr – bis zu 16.000 Schaltvorgänge wurden jedoch in aktuellen Projekten gemessen.
Zu beachten sei zudem der Aufstellungsort, so Knapp. Er habe einen großen Einfluss auf die Effizienz. Stehe das Außengerät einer Luft-Wasser-Wärmepumpe beispielsweise in einer Nische, könne die Kälte nicht abströmen. Dem Gerät stünde dadurch keine frische Luft als Wärmequelle zur Verfügung, sondern nur die bereits heruntergekühlte Abluft der Wärmepumpe. Dadurch benötige sie dann mehr Strom. Zuletzt ging Knapp auch auf die wichtige Schnittstellenabstimmung zwischen dem Elektro- und Heizungsgewerk und auf den Nutzen von Home-Energiemanagement-Systemen (HEMS) ein.
Der Geschäftsführer der KEA Klimaschutz- und Energieagentur Baden-Württemberg (KEA-BW) Volker Kienzlen zeigte in seinem Vortrag die Grenzen und Chancen von grünem Wasserstoff für die Wärmeversorgung auf. Er stelle ein Positionspapier vor, das er mit zahlreichen anderen Fachautoren verfasst hat. Darin erklären die Fachleute, warum ein klimaneutrales Energie- und Wirtschaftssystem Wasserstoff braucht – er aber nicht überall eingesetzt werden kann.
Grüner Wasserstoff sei unverzichtbar, so Kienzlen. Vor allem energieintensive Branchen wie Stahl und Chemie brauchten ihn, um treibhausgasneutral zu werden. Für die Beheizung von Gebäuden werde der chemische Energieträger dagegen allenfalls eine untergeordnete Rolle spielen. Die Hauptgründe: Grüner Wasserstoff werde auf absehbare Zeit knapp und teuer bleiben. Zudem sei der Einsatz zur Erzeugung von Raumwärme ineffizient. Hier böten sich eher Wärmepumpen und Wärmenetze an.

Christian Stöcker, Professor für digitale Kommunikation an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg und bekannter Spiegel-Kolumnist, zeigte, wie man mit guter Kommunikation Menschen für erneuerbare Energien gewinnt. Stöcker hat dies in dem Buch „Männer, die die Welt verbrennen“ exemplarisch vorgemacht. Dort erläuterte er etwa, dass fossile Energien mehr Förderung erhalten, als sie Gewinn machen. Weltweit liege der Gewinn fossiler Energien bei rund einer Billionen US-Dollar pro Jahr – sie erhielten im Gegenzug jedoch rund 1,3 Billionen Euro direkte Subventionen im selben Zeitraum.
Die Vorteile erneuerbarer Energien seien dagegen oft noch unbekannt – und auch ihr massiver Ausbau weltweit. Nichts sei in der Geschichte so schnell gewachsen wie die installierte Leistung von Solar- und Windenergie-Anlagen. Der weltweite Markt habe den Wettstreit fossiler gegen erneuerbare Energieträger längst entschieden, die Zukunft liege bei den Erneuerbaren – und dass trotz der höheren Subventionen für fossile Energien. Die Welt erlebe im Moment eine globale Energierevolution, so Stöcker. Auch in Deutschland liege die Zukunft der Haushalte und der Industrie bei den erneuerbaren Energien.
Zwei Beispiele zeigen die Chancen in Deutschland: In den vergangenen zehn Jahren sind Solarstromanlagen um 80 Prozent günstiger geworden. Dieser Prozess ist noch nicht zu Ende. China macht vor, wie die günstige Stromerzeugungstechnologie in großem Umfang genutzt werden kann. Das Land hat in den ersten sechs Monaten 2025 rund doppelt so viel Photovoltaikanlagen errichtet, wie Deutschland in den vergangenen 25 Jahren insgesamt installiert hat. Stöckers feste Überzeugung: Man kann für Wind- und Solarenergie begeistern, indem man die Rückständigkeit fossiler Energien und die Erfolge des Erneuerbaren-Ausbaus betont.
Wie erneuerbar gespeiste Niedertemperatur-Wärmenetze erfolgreich errichtet werden können, darüber informierten Esther Fischer undKristine Rinderle, die Geschäftsführerinnen der Energieagentur Kreis Ludwigsburg. Erneuerbare Wärmenetze haben unter anderem den Vorteil, dass sie die Energie vor Ort erzeugen. Darüber hinaus können sie Wärmequellen erschließen, die Einzelhaushalte nicht anzapfen können, etwa über Flusswärmepumpen oder tiefe Geothermie. Entscheidend bei Niedertemperatur-Wärmenetzen ist, dass die Vorlauftemperatur für das Wärmenetz nicht über 55 bis 60 Grad Celsius liegt und damit niedriger ist als bei herkömmlichen Netzen. Niedrige Vorlauftemperaturen sind der Schlüssel, um erneuerbare Energien besonders effizient einzusetzen.
Am Beispiel Steinheim an der Murr zeigten die Expertinnen, wie man ein solches neues Wärmenetz mit Wärme aus Solarthermie, Großwärmepumpe, Hackschnitzel-Kessel, BHKW und Gasspitzenlastkessel speist. Die Gebäude wurden optimal auf den Anschluss an das Niedertemperatur-Wärmenetz vorbereitet, etwa durch größere Heizkörperoberflächen und Sanierungsmaßnahmen. Fischer und Rinderle erklärten auch, wie viel Teilsanierung nötig ist, um solch ein Wärmenetz sinnvoll realisieren zu können. Dazu brauche es zwingend eine gute und individuelle Energieberatung für die Haushalte.
Von einem nicht ganz alltäglichen Wärmepumpeneinbau in einem Schwarzwaldhof berichtete Markus Bur am Orde vom Ingenieurbüro für Energieeffizienz aus Königsfeld. Das 1785 errichtete Gebäude mit Denkmaleigenschaft war für eine Wärmepumpe erst auf den zweiten Blick recht gut geeignet: Der spezifische Transmissionswärmeverlust 𝐻‘t, ein Kennwert, der die Wärmeverluste über die Gebäudehülle angibt, lag in dem Gebäude bei 0,63. Unterhalb von 0,9 ist ein Wärmepumpeneinsatz in der Regel gut möglich, so eine Faustregel des Instituts für Wohnen und Umwelt (IWU).
Der Diplomingenieur führte einen hydraulischen Abgleich durch und stellte die Heizkurve ein. Nach der raumweisen Heizlastberechnung ließ er die Heizkörper im Esszimmer gegen größere austauschen, in den anderen Räumen war dies nicht nötig. Der Ölkessel wurde entfernt und eine Luft-Wasser-Wärmepumpe eingebaut. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Die Jahresarbeitszahl liegt bei 3,6.
Direkt aus der Praxis berichtete Antonia Reiter von den, SolarScouts Stuttgart. Ihr Vortrag handelte von der Installation einer Photovoltaikanlage auf einem Mehrfamilienhaus im Bad Cannstatt. 2009 wurde das 1928 errichtete Gebäude zu einem Wohnahaus mit 23 Wohneinheiten umgebaut. Ende 2022 beschloss die Wohneigentümergemeinschaft (WEG), eine Mieterstromphotovoltaikanlage mit Batteriespeicher installieren zu lassen. Um die WEG zu überzeugen, war viel Kommunikation erforderlich, berichtete Reiter, die selbst in dem Haus wohnt. Ein großer Erfolgsfaktor sei gewesen, dass sich eine Gruppe in der WEG hinter das Projekt gestellt und es vorangetrieben hat und so die Mehrheit der WEG überzeugen konnte. Wichtig war auch, nicht mit optimistischen Schönwetterrechnungen zu werben, sondern mit eher konservativen Berechnungen, so Reiter.
Im April 2024, nach 18 Monaten, war es so weit: Die Photovoltaikanlage hat eine installierte Leistung von 71 Kilowatt, der Batteriespeicher eine Kapazität von 41 Kilowattstunden. Der Eigenverbrauch liegt bei 53 Prozent, der Autarkiegrad bei 59 Prozent. Der Strom kostet für die Mieterinnen und Mieter 24 Cent pro Kilowattstunde. Dass sich das Projekt rechnet, zeigen die Zahlen: Die Anlage macht Gewinn, der Überschuss beträgt rund 12.000 Euro pro Jahr, so dass sie nach rund zwölf bis 14 Jahren abbezahlt sein wird.

Als letzter Redner präsentierte Darius Heller die Erfahrungen aus der praktischen Umsetzung der ersten Sanierungssprints in Baden-Württemberg. Das Sanieren eines Altbaus dauert normalerweise mehrere Monate bis Jahre. Das hält viele Hausbesitzerinnen und Hausbesitzer davon ab, eine Modernisierung anzugehen. Hinzu kommt, dass die Baukosten häufig höher ausfallen als ursprünglich geplant. Das Konzept des Sanierungssprints will hier Abhilfe schaffen: Es soll eine energetische Sanierung in rund 22 Werktagen mit standardisiertem Verfahren ermöglichen und das zu einem vorab festgelegten Preis.
Gute Planung sei das A und O eines erfolgreichen Sanierungssprints, so Heller. Nur wenn alle auf der Baustelle tätigen Gewerke gut aufeinander abgestimmt arbeiteten, gelinge der Sprint. Heller erklärte, dass eine exakte Taktplanung und eine gut geplante Ausführung nötig seien. Insgesamt waren die ersten Sanierungssprints in Baden-Württemberg seit April 2025 ein Erfolg. Zukunft Altbau wird das Konzept künftig im Südwesten weiterverbreiten und begleiten.
In diesem Jahr gab es erstmals die Möglichkeit, am Vorabend der Tagung, an einem Workshop in Kooperation mit dem GIH Baden-Württemberg (Gebäudeenergieberater Ingenieure Handwerker) teilzunehmen. Der Schwerpunkt des Abends lag auf der BEG-Förderung von gemischt genutzten oder vormals unbeheizten Gebäudeflächen.
Aktuelle Informationen zur energetischen Sanierung von Wohnhäusern gibt es auch auf www.zukunftaltbau.de.